Wohin verschwinden unsere Fachkräfte?
Praktisch alle Branchen klagen über Personalmangel. Momentan sind rund 2.5-mal mehr offene Stellen als Arbeitslose. Selbst wenn alle Arbeitslosen die nötigen Qualifikationen hätten, reicht das bei weitem nicht aus: Es herrscht Fachkräftemangel. In diesem Artikel wird versucht, die Ursachen kurz aufzuzeigen.
Hier die wesentlichen Ursachen im Überblick:
- Branchenwechsel
- Pensionierungen
- Teilzeitarbeit
- Kurzarbeit- und Weiterbildungen
- Die Studenten fehlen
- Rückkehr ins Ausland
- Wirtschaft läuft auf Hochtouren
Branchenwechsel
Die Branchen, welche von der Pandemie besonders hart getroffen wurden, haben heute noch mehr Schwierigkeiten, Personal zu finden. Gastronomie, Eventbranche, Reisebranche und Detailhandel wurden von einem Tag zum anderen stillgelegt. Viele betroffene Mitarbeiter haben sich eine Arbeitsstelle gesucht, welche «sicher» ist. Viele davon sind damit zufrieden und wollen nicht mehr in den «alten» Job zurück.
Pensionierungen
Seit 2019 verlassen mehr Erwerbstätige den Arbeitsmarkt, als neue eintreten. Dies wird künftig nicht besser; in den nächsten zehn Jahren gehen, laut Arbeitgeberverband, eine Million Menschen in Rente und nur 500'000 Erwerbstätige rücken nach.
Trotz Fachkräftemangel gibt es in der Schweiz immer noch eine «Altersguillotine». Viele KMU stellen keine Mitarbeiter über 45 Jahre an. Grund dafür ist, dass ältere Mitarbeiter teuer sind und zum Teil nicht mehr über die nötigen Qualifikationen verfügen.
Kurzarbeit- und Weiterbildungen
Mitarbeiter in Kurzarbeit sitzen zu Hause und fehlen dem Arbeitsmarkt. Viele haben auch eine Aus- oder Weiterbildung begonnen, welche sie jetzt abschliessen, bevor sie wieder in den Arbeitsmarkt zurückkehren.
Teilzeit
Der Anteil an Teilzeitmitarbeiter hat von 25% (anfangs der 90er Jahre) auf 37% zugenommen. Viele Männer haben das Pensum reduziert, um bei der Kinderbetreuung und Hausarbeit mitzuhelfen. Viele Junge wollen Teilzeit arbeiten (auch ohne Familie). Unternehmen finden vermehrt bei Inseraten auf Vollzeitstellen keine Bewerber.
Die Studenten fehlen
Seit der Einführung der Bologna-Reform vor rund 20 Jahren verbringen Studierende mehr Zeit an der Uni. Die Pflichtvorlesungen und die Prüfungskadenz haben zugenommen, auf Kosten der Nebenjobs. Dies hat sich durch die Pandemie nochmals verschärft. Die Vorlesung wird am Laptop im Elternhaus besucht. Teure WG-Zimmer werden nicht mehr benötigt; Nebenjobs werden hinfällig.
Rückkehr ins Ausland
Obwohl immer noch mehr Leute in die Schweiz ein- als auswandern, nimmt die Differenz ab. Viele Italiener und Portugiesen ziehen nach der Pensionierung in ihre frühere Heimat, um dort den Ruhestand zu geniessen. Oft lassen sie sich frühpensionieren und fehlen im Arbeitsmarkt.
Nicht selten folgt die nächste Generation, welche noch mitten im Berufsleben steckt. Denn für viele Secondos fällt mit dem Wegzug der Eltern auch die Gratis-Kinderbetreuung weg.
Wirtschaft läuft auf Hochtouren
Teile der Schweizer Wirtschaft wurden durch die CORONA-Pandemie von einem Tag auf den anderen stillgelegt. Mit der Rückkehr zur Normalität läuft die Wirtschaft auf Hochtouren! Die Nachholeffekte z. B. in der Reisebranche sind riesig.
Ganz Europa spürt den starken Aufschwung; daher kommen weniger Gastarbeiter in die Schweiz.
Der Fachkräftemangel trifft zwar die ganze Schweizer Wirtschaft über alle Branchen hinweg – aber die Unternehmen kämpfen mit unterschiedlich langen Spiessen. Für KMU’s ist die Rekrutierung von Führungskräften viel schwieriger als für Grossunternehmen. In vielen KMU kümmert sich der Chef oder die Chefin nebenher um die Rekrutierung. Dass sie nicht mit den HR-Abteilungen von Google, Facebook & Co. mithalten können, versteht sich von allein.
Michael Münger
Partner, Teamleiter
Dipl. Wirtschaftsprüfer
Betriebsökonom HWV
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