Proaktives Handeln kann retten
Der Faktor Zeit ist, wie bereits in einem früheren Artikel erläutert (vgl. Thomas Bachmann, Das Unternehmen in der Krise vom 19.01.2023), bei der Bewältigung von finanziellen Schwierigkeiten in einem Unternehmen von zentraler Bedeutung. Ein psychologisches Phänomen verhindert jedoch oftmals ein Tätigwerden, was zur Neigung führt, die Probleme herunterzuspielen und/oder unangenehme Diskussionen darüber aufzuschieben.
Ist man zudem im Tagesgeschäft des Unternehmens eingebunden, übersieht man die Anzeichen einer drohenden Krise schnell. Möglicherweise werden bestimmte Unzulänglichkeiten auf eine ineffiziente Struktur zurückgeführt, anstatt einen umfassenderen Blick auf die Betriebsabläufe als Ganzes zu haben.
Über die gesetzlichen Verpflichtungen hinaus
Die Praxis zeigt jedoch, dass es mehr Handlungsoptionen gibt, wenn frühzeitig reagiert wird. Daher ist es für die Unternehmensführung von grösster Bedeutung, sich der Realität zu stellen und so früh wie möglich entsprechend zu handeln.
Die gesetzlichen Bestimmungen zum Kapitalverlust (Art. 725a OR), zur Überschuldung (Art. 725b OR) und neu zur drohenden Zahlungsunfähigkeit (Art. 725 OR) zwingen die Gesellschaftsorgane bei klar definierten finanziellen Engpässen zu handeln. Doch weshalb zuwarten und das Thema nicht sofort angehen, wenn erste Anzeichen erkennbar sind?
Aussergerichtliche Sanierung
Für aussergerichtliche Sanierungen bietet sich eine Vielzahl von recht bekannten Instrumenten an (z. B. Forderungsverzicht, Kapitalherabsetzung, Umwandlung von Fremdkapital in Eigenkapital, Auflösung von stillen Reserven, Rangrücktritt von Forderungen, Sanierungsfusion, usw.). Gemeinsames Ziel sämtlicher Massnahmen ist, das Unternehmen wieder auf gesunde Beine zu stellen und seinen langfristigen Fortbestand zu ermöglichen. Deshalb ist entscheidend, dass für die Prüfung aller Varianten genügend Zeit zur Verfügung steht und ohne Tabus überlegt werden kann, welche Sanierungsart oder Massnahmenkombination in Frage kommt und effektive Erfolgschancen hat.
Den richtigen Weg für das Unternehmen zu wählen und dabei gleichzeitig die Interessen der Gläubiger und Aktionäre bestmöglich zu wahren, obwohl diese manchmal diametral entgegengesetzt sind, obliegt der Verantwortung des Verwaltungsrats. Für die Mitglieder des Verwaltungsrats ist dies eine komplexe Aufgabe, bei der sie in einer unbeliebten und ungewohnten Situation unter Zeitdruck ein hohes Verantwortungsbewusstsein an den Tag legen müssen.
Gerichtliches Nachlassverfahren
Zusätzlich zu den aussergerichtlichen Sanierungsmassnahmen bietet sich ein gerichtliches Nachlassverfahren an, das sich in einem gesetzlich vorgeschriebenen Rahmen abspielt (Art. 293 ff. SchKG). Sind die Fakten nicht konkret und die Zeit knapp, kann der Richter dem Unternehmen in diesem Verfahren zunächst eine provisorische Nachlassstundung gewähren. In einem zweiten Schritt, d. h. spätestens bei der Gewährung der definitiven Nachlassstundung, beauftragt das Gericht einen Sachwalter, um die notwendigen Verhandlungen für die konkrete Ausarbeitung eines Sanierungskonzeptes oder den Abschluss eines Nachlassvertrags zu leiten. Zwar ist dieses Verfahren weniger flexibel als privatrechtliche Sanierungen, es verdient es jedoch, aufgrund der folgenden nicht zu unterschätzenden Vorteile, an Bedeutung zu gewinnen:
> Es schützt vor neuen Betreibungen und hemmt bereits Laufende
> Es ermöglicht potenziell die Aufrechterhaltung der Geschäftstätigkeit des Unternehmens und der Arbeitsplätze
> Es bietet Schutz für die Gläubiger, da die Gleichbehandlung gewährleistet ist
> Es erfordert nicht die Zustimmung sämtlicher Gläubiger
> Es macht die Kündigung von Dauerschuldverhältnissen (wie z.B. Mietverträge) unter Umständen möglich
Unsere Erfahrungen zeigen, dass die überwiegende Mehrheit der Unternehmen nach einer Nachlassstundung ihre Geschäfte erfolgreich retten konnten.
Die Zeit ist wertvoll
Wenn zu spät und zu wenig bestimmt gehandelt wird («too little, too late»), gehen letztlich leider zu viele in Schwierigkeiten geratene Unternehmen Konkurs. Es ist jedoch möglich, diese missliche Lage, in der sich die betroffenen Unternehmer·innen befinden, weil die zur Verfügung stehenden Massnahmen aus Zeit- oder Geldmangel nicht mehr ergriffen werden können, zu vermeiden.
In der Tat ist eine Sanierung sowohl in wirtschaft licher und rechtlicher Hinsicht als auch auf psychologischer und menschlicher Ebene ein zeitaufwendiges und schwieriges Projekt. Um die richtige Sanierungsoption wählen zu können, die nötige Liquidität zu sichern, Überraschungen bei den rechtlichen Hürden zu vermeiden und die Kommunikation sowohl intern als auch extern zu steuern, ist es ratsam, so früh wie möglich aktiv zu werden.
Sollte Ihr Unternehmen mit Schwierigkeiten konfrontiert sein, ermutigen wir Sie, beherzt und proaktiv zu handeln. Wir stehen Ihnen dabei gerne zur Seite.
Isabelle Gioielli
Prokuristin
Juristin–Steuerberaterin, Lic. iur. HSG
DAS FH in Swiss Taxation
CAS in Steuerrecht KMU
T +41 26 492 78 31
igi@core-partner.ch